4. Jenseits des Drama-Dreieck: So gelingt die Transformation im Alltag und in der Therapie

4. Jenseits des Drama-Dreieck: So gelingt die Transformation im Alltag und in der Therapie

(Dies ist Teil 4 unserer 4-teiligen Reihe: Vom unbewussten Drama zur bewussten Gestaltung)

Willkommen zum letzten Teil unserer gemeinsamen Reise. Wir haben das Drama-Dreieck und seine destruktiven Rollen erkannt, die tiefen Wurzeln dieser Muster in unserem Nervensystem verstanden und einen konkreten Fahrplan mit positiven Alternativen entwickelt.

Jetzt ist es an der Zeit, diese neuen Rollen mit Leben zu füllen. Wie sieht eine Interaktion auf Augenhöhe ganz praktisch aus? Wie klingt ein Streitgespräch, wenn es nicht von Drama, sondern von Respekt geprägt ist? Und wie kann eine therapeutische Beziehung aussehen, die wirklich zur Selbstermächtigung führt?

In diesem Artikel bringen wir die Theorie in die Praxis und schauen uns an, wie die Transformation im Alltag und in der Therapie gelingt.

Beispiel 1: Der Beziehungsstreit – Eine neue Interaktion

Erinnern wir uns an den Streit um den nicht rausgebrachten Müll aus dem ersten Artikel – ein chaotischer Tanz zwischen Verfolger, Retter und Opfer. Lasst uns nun dieselbe Situation mit den neuen, positiven Rollen durchspielen.

Die Rolle des selbstwirksamen Erwachsenen

In dieser neuen Interaktion beginnt niemand mit einem "Du machst immer...". Stattdessen übernimmt jeder die Verantwortung für sich selbst.

Partner A könnte sagen: "Als ich den vollen Müll gesehen habe, habe ich mich gestresst und allein gelassen gefühlt. Ich brauche das Gefühl, dass wir ein Team sind." Hier gibt es keine Anklage, nur eine Äußerung eigener Gefühle und Bedürfnisse. Partner B ist kein unfähiges Opfer, sondern ein handlungsfähiger Erwachsener, der dieses Feedback annehmen kann. Er könnte antworten: "Es tut mir leid, dass du dich so gefühlt hast. Ich war heute total abgelenkt. Das war nicht meine Absicht."

Die Rolle des Unterstützers

Statt den anderen zu "retten" oder ihm passiv-aggressiv die Aufgabe abzunehmen, tritt der Unterstützer auf den Plan. Partner B könnte sagen: "Ich sehe, dass du weniger Stress haben möchtest. Hier ist, was ich dir anbieten kann: Ich stelle mir ab jetzt eine Erinnerung im Handy, um den Müll nicht zu vergessen." Es geht darum, sich langfristig gegenseitig zu begleiten und zu unterstützen, nicht darum, den anderen aus seiner Verantwortung zu entlassen.

Die Rolle des Champions

Ein Champion steht für sich und seine Bedürfnisse ein. Partner A kann klar seine Grenzen und Wünsche formulieren: "Für mich ist es wirklich wichtig, dass wir uns an unsere Abmachungen halten. Das will ich." Gleichzeitig bietet der Champion dieses Feedback in dem Wissen an, dass der andere ein selbstwirksamer Erwachsener ist, der selbst entscheidet, wie er darauf reagiert. Es ist eine Herausforderung, kein Angriff.

Das Ergebnis ist eine komplett andere Interaktion. Sie findet auf Augenhöhe statt, von Erwachsenem zu Erwachsenem. Hilfe kann angeboten und dankbar angenommen werden. Grenzen werden respektiert. Statt in einem Drama gefangen zu sein, fördern und unterstützen sich beide gegenseitig.

Beispiel 2: Die therapeutische Session – Im Dienst des Protagonisten

Auch in Sessions können die alten Drama-Muster greifen: Der Therapeut als überlegener Retter, der Klient als hilfloses Opfer. Die Alternative ist ein radikaler Wandel der Perspektive, der dem Klienten seine volle Kraft zurückgibt.

Vom Klienten zum Protagonisten

In diesem neuen Modell ist der Mensch, der zur Session kommt, kein Patient oder Klient, sondern ein Protagonist. Ein Protagonist ist per Definition ein handlungsfähiges Individuum, derjenige, um den es geht. Allein die Tatsache, zur Session zu kommen, ist bereits ein aktiver Schritt und ein Ausdruck von Selbstverantwortung. Diese Grundhaltung ändert alles. Der Protagonist ist nicht im Widerstand, sondern selbst motiviert und handlungsfähig.

Die Rolle des Begleiters

Der Behandler ist nicht der Retter, der den Protagonisten ziehen oder schieben muss. Er ist ein Begleiter. Er geht auf Augenhöhe mit und bietet an, was er kann, um den Protagonisten auf seinem Weg zu unterstützen. Er fragt: "Was hilft dir?" und passt sein Angebot an. Der Fokus liegt immer auf der Frage: "Wie kann ich dich dabei begleiten, dass du die Schritte gehst?".

Die Rolle des Experten

Gleichzeitig ist der Behandler auch Experte. Aus dieser Rolle heraus kann er Muster hinterfragen und konfrontieren, die dem Protagonisten nicht dienen. Dies geschieht nicht als Verfolger, der sagt "Du machst was falsch", sondern als Experte, der fragt: "Hilft dir diese alte Strategie wirklich noch?" oder "Hier ist eine alternative Perspektive, die dir an diesem Punkt besser dienen könnte.". Diese Herausforderung steht immer im Dienst des Protagonisten, damit dieser handlungsfähig in seinem Leben selbst Verantwortung übernehmen kann.

In dieser Konstellation dienen die Rollen des Begleiters und Experten immer dem Protagonisten. Die Interaktion ist nicht länger ein Drama, sondern eine kraftvolle Allianz für Wachstum und Veränderung.

Dein Weg: Weniger Drama, mehr Mensch zu Mensch

Wenn wir diese neuen Rollen verkörpern, sinkt die Wahrscheinlichkeit, im Drama-Dreieck zu landen, dramatisch. Warum? Weil wir nicht mehr als isolierte, reaktive Rollen interagieren – als Verfolger, Retter oder Opfer. Wir begegnen uns wieder als ganze Menschen.

Der Ausstieg aus dem Drama-Dreieck ist die Rückkehr zur Verbindung von Mensch zu Mensch. Es ist eine Interaktion auf Augenhöhe, in der wir anerkennen können: "Das läuft gerade nicht ideal, und du probierst dein Bestes.".

Ich hoffe, diese Artikelreihe hat dich unterstützt und dir ein paar Ideen gegeben, wie du damit arbeiten kannst. Der Weg aus dem Drama ist ein Weg zu mehr Bewusstheit, mehr Selbstverantwortung und letztendlich zu tieferen und ehrlicheren Beziehungen mit dir selbst und anderen.