5. Glossar: Neuropsychologie & Verkörperung
Ein Überblick über zentrale Begriffe aus den Artikeln zu Gehirn, Nervensystem und Körperintelligenz.
Als-ob-Gefühl
Eine tief im Körper verankerte, implizite Grundhaltung, die durch frühe Bindungserfahrungen geformt wird. Sie bestimmt, wie man sich in der Welt verhält – z.B. „als ob die Welt sicher ist“ oder „als ob sie gefährlich ist“.
Bottom-Up (Intervention)
Ein Behandlungsansatz aus der Gärtner-Rolle, der die Selbstheilung vom Körper ausgehend unterstützt – etwa durch Bewegung, Ernährung oder Körperarbeit.
Clean Language (Saubere Sprache)
Eine Fragemethode nach David Grove, die ausschließlich die exakten Worte und Metaphern des Klienten aufgreift, um die nonverbale Welt der rechten Hemisphäre zu erforschen, ohne sie zu interpretieren.
Corpus Callosum
Die Nervenverbindung zwischen den Gehirnhälften, deren Hauptfunktion es ist, sie zu trennen und zu hemmen. So können fokussierte und weite Aufmerksamkeit gleichzeitig bestehen.
Excited Love (Aufregende Liebe)
Eine Form elterlicher Regulation, bei der die Eltern die Freude und Lebendigkeit des Kindes begleiten und spiegeln. Sie verankert Zustände von Energie und Glück im Nervensystem (Heraufregulation).
Felt Sense
Ein von Eugene Gendlin geprägter Begriff für ein verkörpertes, inneres Gespür, das das gesamte implizite Wissen über ein Thema umfasst – anfangs vage, aber voller Bedeutung, wenn man ihm zuhört.
Fluss-Metapher (des Körpers)
Die rechtshemisphärische Sicht auf den Körper als stabilisierten Prozess – wie ein Fluss, der durch ständigen Wandel seine Form behält.
Fokussierte Aufmerksamkeit
Die zielgerichtete, präzise Aufmerksamkeit der linken Hemisphäre, die Details unterscheidet und Dinge greifbar macht.
Gärtner-Rolle
Ein Behandlungsansatz, der auf den Körper als lebendiges Ökosystem blickt. Ziel ist, Bedingungen für Wachstum und Selbstheilung zu schaffen – nicht einzelne Fehler zu beheben.
Hemineglect
Ein neurologischer Zustand (meist nach Schlaganfall der rechten Hemisphäre), bei dem Betroffene die linke Seite der Welt nicht mehr wahrnehmen – Symbol für die Selbstbezogenheit der linken Hemisphäre.
Holistischer / Synthetischer Gedanke
Eine ganze, unteilbare Einsicht der rechten Hemisphäre, die entsteht, bevor sie sprachlich formuliert wird. Oft sichtbar in Gesten oder Metaphern.
Instabile Basis (Trauma)
Ein implizites Als-ob-Gefühl, das aus fehlender früher Bindung entsteht. Es führt zu Verhalten, „als ob die Welt unsicher wäre“.
Körperintelligenz
Das ganzheitliche, nonverbale Wissen des Körpers. Der Felt Sense ist das Tor zu ihr.
Landkarte (der Realität)
Die abstrahierte, vereinfachte Welt der linken Hemisphäre – nützlich, aber gefährlich, wenn sie mit der Realität verwechselt wird.
Landschaft (die Realität)
Die komplexe, lebendige Realität, wie sie von der rechten Hemisphäre als Ganzes wahrgenommen wird.
Linke Hemisphäre
Die auf Manipulation und Kategorisierung spezialisierte Gehirnhälfte. Ihre Metapher: die Maschine.
Maschinen-Metapher (des Körpers)
Das westliche Modell des Körpers als reparierbare Maschine. Krankheit = Defekt, Behandlung = Reparatur.
Mechaniker-Rolle
Der Behandlungsstil, der auf der Maschinen-Metapher beruht: Der Behandler sucht den „Fehler“, den er beheben kann.
Metapher
Ein Kanal zur rechten Hemisphäre. Sie verdichtet komplexe Erfahrungen in einem Bild (z.B. „Ich laufe gegen eine Wand“).
Mitschwingen (therapeutisch)
Der Prozess der Resonanz: der Therapeut spiegelt nonverbal Stimme, Mimik und Rhythmus des Klienten – die Grundlage vorsprachlicher Heilung.
Positiver Feedback-Loop
Die Tendenz der linken Hemisphäre, nur zu bestätigen, was sie schon glaubt – „Filterblasen“ im Gehirn.
Präsentation
Die Wahrnehmungsweise der rechten Hemisphäre: Sie steht in direktem Kontakt mit der Realität und präsentiert das Ganze.
Quiet Love (Ruhige Liebe)
Die elterliche Fähigkeit, ein überaktiviertes Kind zu beruhigen – Grundlage für emotionale Regulation.
Re-präsentation
Die Arbeit der linken Hemisphäre: das, was zuvor präsent war, in Worte und Symbole übersetzen.
Rechte Hemisphäre
Die auf Wahrnehmen, Kontext und Beziehung spezialisierte Gehirnhälfte. Ihre Metapher: der Fluss.
Rechte-Hemisphäre-zu-Rechte-Hemisphäre-Beziehung
Die frühe Mutter-Kind-Regulation über Resonanz, Blickkontakt und Affektspiegelung.
Resonanz (therapeutisch)
Die Wiederherstellung dieser frühen Synchronisation zwischen Therapeut und Klient.
Selbstregulation
Die Fähigkeit, innere Zustände zu steuern – geprägt durch frühe Synchronisation und Bindung.
Stabile Basis
Das implizite Gefühl von Sicherheit und Kontaktfähigkeit, das aus guter früher Bindung entsteht.
Stabilisierter Prozess
Der Körper als dynamisches Gleichgewicht: ständiger Wandel, stabile Form.
Stolpern (nach Gendlin)
Der Moment, in dem Sprache stoppt, weil der Körper mehr weiß als die Worte – der Beginn echter Veränderung.
Synchronisation
Der biologische Kern von Liebe: das Mitschwingen der rechten Hemisphären, Atemrhythmen und Mimik.
Top-Down (Intervention)
Ein Behandlungsansatz, der über Geist, Bedeutung und innere Landkarten wirkt.
Vagusnerv
Der zentrale Nerv des Beruhigungs- und Bindungssystems, tief mit der rechten Hemisphäre verbunden.
Vorsprachliche Wunde
Ein Trauma aus den ersten Lebensjahren, das als Körperzustand und nicht als bewusste Erinnerung gespeichert ist.
Weite Aufmerksamkeit
Die offene, kontextuelle Aufmerksamkeit der rechten Hemisphäre – das Gegenstück zur fokussierten Aufmerksamkeit.
Links zu verwandten Artikeln
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- 4.1: Die Maschinen-Täuschung: Warum wir aufhören müssen, den Körper zu 'reparieren'
- 1.1: Das fundamentale Dilemma: Warum wir wirklich zwei Gehirnhälften brauchen
- 3.3: Das 'Als ob'-Gefühl: Wie frühe Erfahrungen unser implizites Weltbild formen