2.4- Der Schlüssel im Bild- Wie Metaphern und 'Clean Language' die Welt der rechten Hemisphäre öffnen
Im letzten Artikel haben wir den "Felt Sense" als einen königlichen Weg zur Körperintelligenz erkundet – einen Weg, der uns durch das "Stolpern" jenseits der Sprache führt. Doch das Transkript deutet einen zweiten, ebenso mächtigen Kommunikationskanal zur rechten Hemisphäre an: die Metapher.

Wenn Klienten sagen: "Ich stecke fest", "Ich laufe gegen eine Wand" oder "Ich trage eine schwere Last", sprechen sie nicht wörtlich. Sie nutzen die Sprache der linken Hemisphäre, um eine komplexe, ganzheitliche Erfahrung der rechten Hemisphäre zu präsentieren. Diese Bilder sind keine zufälligen Redewendungen; sie sind der "synthetische Gedanke", der in einem einzigen Bild eine ganze innere Welt zusammenfasst.
Die Falle, in die wir als Coaches tappen können, ist dieselbe wie beim reinen Reden (Artikel 2.1): Wir hören die Metapher und unser linker Verstand will sie kontrollieren. Wir analysieren sie ("Ah, eine Wand, das bedeutet Widerstand") oder bieten eine Lösung an ("Dann lass uns einen Weg um die Wand herum suchen!"). Damit sind wir wieder im positiven Feedback-Loop der linken Hemisphäre gefangen – wir verstärken unsere eigene Landkarte, statt die des Klienten zu erkunden.
Die Falle der Interpretation
Unsere linke Hemisphäre liebt es zu re-präsentieren. Sie nimmt das reiche, lebendige Bild der rechten Hemisphäre (die "Wand") und macht daraus eine flache Abstraktion ("Widerstand"). Das Problem: Die Metapher des Klienten ist unendlich reicher als unsere Interpretation.
Wenn wir die Metapher interpretieren, signalisieren wir dem Klienten, dass seine nonverbale Erfahrung (Präsentation) falsch oder unvollständig ist und durch unsere verbale Analyse (Re-präsentation) korrigiert werden muss. Wir bleiben an der Oberfläche der Sprache und verhindern genau jenes "Stolpern", das für tiefe Einsicht notwendig ist.

Clean Language: Der Raum für die Entfaltung
Hier kommt die Arbeit von David Grove und die Entwicklung der "Clean Language" (Saubere Sprache) ins Spiel. Clean Language ist eine Methode, die radikal mit der inneren Welt des Klienten arbeitet, indem sie ausschließlich die exakten Worte und Metaphern des Klienten aufgreift.
Sie ist das sprachliche Gegenstück zur offenen, neugierigen Haltung, die wir für den Felt Sense brauchen. Anstatt zu interpretieren oder zu führen, stellt der Coach einfache, "saubere" Fragen, die die Aufmerksamkeit des Klienten auf seine eigene Metapher lenken und ihr Raum geben, sich zu entfalten – genau wie der Felt Sense. Dieser Prozess ist nicht-linear und kreativ.

Beispiele für "saubere" Fragen: Wenn der Klient sagt: "Ich laufe gegen eine Wand."
- Fokussieren: "Und was für eine Art von Wand ist diese Wand?"
- Lokalisieren: "Und wo ist diese Wand?"
- Attribute: "Gibt es noch etwas über diese Wand?"
- Prozess: "Was passiert, kurz bevor du gegen diese Wand läufst?"
Vom Bild zur Veränderung
Durch diese Fragen wird der Klient eingeladen, seine innere, nonverbale Welt (die Domäne der rechten Hemisphäre) detailliert zu erforschen. Die Metapher ist nicht länger ein Problem, das analysiert werden muss, sondern ein reichhaltiger Erfahrungsraum.
Ähnlich wie bei den Gesten, die vor dem Wort entstehen, ist die Metapher der primäre, ganzheitliche Gedanke. Indem wir den Klienten in dieser Metapher verweilen lassen, kann die rechte Hemisphäre neue Informationen ins System speisen.
Plötzlich stellt der Klient vielleicht fest: "Die Wand ist gar nicht hoch" oder "Sie ist aus Sand" oder "Es gibt eine Tür darin." Diese Einsicht kommt nicht vom Coach, sondern entspringt direkt der nonverbalen Intelligenz des Klienten.
Unsere Aufgabe als Coaches ist es also, die Bedingungen für diese Entfaltung zu schaffen. Ob wir den Klienten sanft zu seinem Felt Sense führen oder ihn mit Clean Language durch seine eigenen Metaphern navigieren lassen – in beiden Fällen vertrauen wir darauf, dass die tiefgreifenden Antworten bereits in der "stummen", ganzheitlichen Weisheit der rechten Hemisphäre schlummern.
Quellen
- Iain McGilchrist: The Matter With Things (Author Site)
- Allan Schore: Affect Regulation and the Origin of the Self (APA)
- Schore/Schore: Modern Attachment Theory & Affect Regulation (Study)
- Iain McGilchrist: The Master and His Emissary (Book)
Interne Links
- 1. Das Internal Family Systems Modell: Eine Einführung in die IFS-Therapie
- 2. Was du für Sicherheit und Verbindung wirklich brauchst
- 5. Glossar: Zentrale Begriffe des Bedürfnis- und Wachstumsmodells
- 1.2: Zwei Welten in einem Kopf: Die Realität der linken vs. der rechten Hemisphäre
- 2.1: Das Echo im Kopf: Warum reines Reden Klienten im Kreis drehen lässt
- 2.2: Der stumme Gedanke: Wie wahre Erkenntnis vor dem Wort entsteht
- 2.3: Die Kunst des Stolperns: Wie der 'Felt Sense' die Tür zur Körperintelligenz öffnet
- 3.1: Das unfertige Gehirn: Warum die ersten zwei Lebensjahre alles entscheiden
- 3.2: Liebe ist ein Tanz der Gehirne: Wie Bindung unsere Nervensysteme verdrahtet
- 3.3: Das 'Als ob'-Gefühl: Wie frühe Erfahrungen unser implizites Weltbild formen
- 4.1: Die Maschinen-Täuschung: Warum wir aufhören müssen, den Körper zu 'reparieren'